Scholz-Rothe, Gerhard

Scholz-Rothe, Gerhard

Komponist - Dirigent - Soldat

- ein kommentierter Lebenslauf -

Freundlicherweise erstellt und zur Verfügung gestellt von

Christian Scholz im Februar 2007

 

Der musikalische Werdegang des Dirigenten und Komponisten Gerhard Scholz- Rothe ist vielschichtig und spiegelt in gewisser Weise die wechselvolle Geschichte und Entwicklung Deutschlands im letzten Jahrhundert wieder - abgebildet vor dem musikalisch-künstlerischen, aber auch soldatischen Hintergrund.

 

Geboren wurde er im Jahre 1913 in Luisenhain im Kreis Posen, also im heutigen Polen. Über Deutsch Lissa, Torgelow und Velten führte ihn sein Lebensweg nach Hennigsdorf und damit letztendlich nach Berlin, wo er bereits im Herbst 1930, also mit 17 Jahren, - ausgestattet mit einem Beethovenstipendium der damaligen Reichshauptstadt Berlin - sein Musikstudium an der staatlichen akademischen Hochschule für Musik begann. Nicht unwichtig dabei ist für den späteren musikalischen Lebensweg die Tatsache, dass er neben dem obligatorischen Klavier je ein Streich- und ein Blasinstrument als Instrumenalfächer aussuchte, nämlich den Kontrabass und die Tuba.

 

Am 01. April 1933 trat er in das Musikkorps des Infanterieregiments 9 in Berlin-Spandau ein und nahm 1937 seine unterbrochenen Studien als Kapellmeisterschüler an der Hochschule für Musik wieder auf. Er studierte u.a. bei Paul Höffer Klavier, bei Walter Gmeindl und Clemens Schmalstich Dirigieren und bei Leo Schrattenholz und Heiz Tiessen Komposition. Das Examenszeugnis vom 15.03.1939 enthielt die Gesamtnote „musikalisch sehr gut“.

 

Nach dem Abschlussexamen übernahm er am 01. April 1939 das Musikkorps des Artillerie-Regiments 56 in Hamburg-Wandsbek. Der Ausbruch des II. Weltkriegs bremste die Entwicklung des jungen Dirigenten zunächst, wurde er während des Krieges noch fast ausschließlich als Ordonnanzoffizier und Batterieführer verwendet. In dieser Zeit liegen jedoch die Anfänge des erwachenden Komponisten. Textlich inspiriert von seiner Verlobten, der Germanistikstudentin Ingeborg Rothe, die er am 01.04.1941 heiratete, schuf er bereits in dieser Zeit ein kleines, bisher öffentlich wenig bekanntes Werk, nämlich das „Spielmannsliedchen“ und dann zu seiner Hochzeit das „Andante religioso“, welches zu einer „Familientradition“ wurde. Bei den Hochzeiten der drei Kinder war es ebenso das zentrale Musikstück als auch anlässlich seiner Beerdigung.

 

Die Beschäftigung mit dem Lied hat ihn - was ebenfalls weniger bekannt ist - nie losgelassen. Noch wenige Jahre vor seinem Tod widmete er sich der Vertonung von Gedichten Gottfried Benns.

 

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft beginnt das „zweite musikalische Leben“ des Gerhard Scholz.

Bereits 1945 stellte er das ehemalige städt. Sinfonieorchester in Recklinghausen wieder zusammen und wirkte dort bis 1956 als Städt. Musikdirektor. Während dieser Zeit war er künstlerischer Leiter des Sinfonieorchesters, des Städt. Chores und des Männergesangvereins „Eintracht“ in Recklinghausen sowie des Städt. Chores in Herne. Mit diesen Vereinigungen gab er viele Konzerte unter Mitwirkung namhafter Solisten des In- und Auslandes, u.a. Elly Ney, Shura Cherkassy, Ludwig Hölscher, Jean Francaix, Monique Haas, Wilhelm Kempff, Vasa Prihoda, Christian Ferras, Walter Ludwig, Annelies Kupper, Margarethe Teschenmacher, Anny Bernards und Rudolph Watzke.

 

Neben dem klassischen Repertoire widmete er sich vor allem auch modernen Komponisten. So führte er in dieser Zeit fast alle Orchester- und Solowerke von Hindemith, Strawinsky und Bartok auf.

 

Zum Repertoire gehörten dabei auch die großen Chorwerke der klassisch - romantischen Epoche:

Monteverdi (Marienvesper)

Bach (Johannes- und Matthäuspassion)

Händel (Messias)

Haydn (Jahreszeiten, Schöpfung)

Beethoven (Missa Solemnis, 9. Sinfonie)

Brahms (Requiem)

Bruckner (Te Deum)

u.v.a. mehr.

 

Als Gastdirigent wirkte er in Konzerten der Norddeutschen Philharmonie, des Winterthurer Orchesters (mit Clara Haskil) in der Schweiz und des „Ensembles Orchestral“ in Paris. Stets war er auch mit seinem Orchester in der Sendereihe „Kulturorchester Nordrhein-Westfalen“ des NWDR zu hören. Zu erwähnen bleibt noch, dass sich Scholz schon in den ersten Nachkriegsjahren intensiv der Jugendarbeit zuwandte. Er führte regelmäßig Schul- und Jugendkonzerte mit einleitenden Vorträgen ein.

 

Als es 1956 finanzielle und kulturpolitische Querelen um das Orchester gab und zeitgleich die im Aufbau befindliche Bundeswehr wieder Musikkorps installierte, kehrte Gerhard Scholz zu seinen Wurzeln zurück. Aber er war nicht mehr derselbe wie in den Vorkriegsjahren. Und das sollte der Bundeswehr aber auch seiner Entwicklung neue Impulse verleihen.

 

Zunächst stellte er 1956 im Rahmen des Neuaufbaus der Bundeswehr das Heeresmusikkorps 6 in Hamburg auf. Mit diesem Musikkorps gab er viele Konzerte in der Musikhalle und bei „Planten und Boomen“. Insbesondere die Produktion der „Sinfonie in B“ von Paul Hindemith für den NDR im Jahre 1958 ist erwähnenswert. Sein Engagement für interessante Neuarrangements klassischer Stücke aber auch die Pflege konzertanter Bläsermusik blieben nicht verborgen, so dass er dann 1961 zum Leiter und Chefdirigenten des Stabsmusikkorps der Bundeswehr nach Bonn / Siegburg (heute: Musikkorps der Bundeswehr) berufen wurde.

 

Dies war die letzte Station seines musikalischen Werdegangs und sie beinhaltete genauso genommen eine Fortführung und Vervollkommnung des bisherigen.

Diese Position und vor allem der klare musikalische Wille ermöglichten es, die frühere Ausbildung und die spätere Erfahrung im Berufsleben mit der immer vorhandenen kreativen kompositorischen Fähigkeit zu einer Einheit zu verbinden, die sowohl der Militärmusik als auch der modernen sinfonischen Bläsermusik zugute gekommen ist. Einerseits leitete Oberstleutnant Gerhard Scholz-Rothe alle repräsentativen Einsätze des Stabsmusikkorps, sowohl im protokollarischen Ehrendienst als auch bei den großen Konzerten in der Bonner Beethovenhalle und im Kölner Gürzenich.

 

Für die Interpretation der Hymnen und für die musikalische Gestaltung des Zeremoniells bei Staatsempfängen (Großer Zapfenstreich) wurde Oberstleutnant Scholz-Rothe mit hohen Orden ausgezeichnet. Es war nicht nur eine diplomatische Gepflogenheit, dass er im Hinblick auf seine musikalischen Leistungen mit dem

„Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion“, dem

„Offizierskreuz des britischen königlichen Viktoria-Ordens“, dem

„Kommandeurskreuz des Königlichen St. Olaf Ordens“ von Norwegen und vielen anderen hohen Orden ausgezeichnet wurde.

 

Gleichwohl war das nur ein Teil seines musikalischen Schaffens. Das Stabsmusikkorps der Bundeswehr gab ihm in seiner damaligen Zusammensetzung die Möglichkeit, seine kompositorischen Ambitionen auch praktisch umzusetzen und seine symphonischen Erfahrungen weiterzugeben und zu pflegen.

In dieser Zeit entstanden eine Reihe von Kompositionen moderner symphonischer Bläsermusik, wie etwa das Concertino für Klavier und Blasorchester, Abendlied und Deutscher Zapfenstreich, die Trilogie für Bläser und Schlaginstrumente Epilog und Finale.

 

Eine Besonderheit stellten die „Impressionen 67“ dar. Sie waren das musikalische Ergebnis seiner Eindrücke der im Jahr 1967 erfolgten Einladungsreise als Gastdirigent in die USA. Dort dirigierte er die US-Army Bands in West Point, Washington und Fort Monroe. Kenner der Musik verglichen das Werk in der Anlage mit Dvoraks „Sinfonie aus der neuen Welt“. Auf interessante Art verbinden sich Elemente und Instrumentierung der amerikanischen Musikszene (etwa Sousa) mit den Traditionen Europäischer Bläsermusik. Im großem Umfang widmete Scholz sich natürlich auch dem klassischen Feld der Militärmusik, dem Marsch.

Aus den insgesamt 14 Marschkompositionen seien hier stellvertretend einige der wichtigsten genannt: Fahnenmarsch des Wachbataillons, Marsch für die US-Army-Band, Semper Talis Marsch, Steubenmarsch und Fahnenmarsch der Bundeswehr.

1972 leitete er das Stabsmusikkorps in Paris beim „Festival des musiques militaires“.

Durch seine Mitwirkung im Funk und Fernsehen wurde sein Name immer bekannter, ebenso durch seine zahlreichen Schallplatten, darunter der „Große Zapfenstreich“. Er scheute auch nicht den Ausflug in den Unterhaltungssektor. Unter dem Motto „Lustige Musikanten“ bediente er mehrere Jahre erfolgreich in den Medien und auf Tourneen den volkstümlichen Geschmack des Publikums und trug dadurch nicht zuletzt - zumindest indirekt - zu einem größeren Bekanntheitsgrad der Militärmusik bei.

 

Scholz, der 1962 zum Major und 1966 zum Oberstleutnant befördert worden war, trat am 31. März 1974 in den Ruhestand. Sein Abschiedskonzert in der Bonner Beethovenhalle wurde noch einmal zu einer Demonstration der großen Vielseitigkeit des Dirigenten: Bereits einige Jahre zuvor hatte Gerhard Scholz das „Sinfonieorchester des Stabsmusikkorps“ ins Leben gerufen, was möglich war, weil viele Musiker der „alten Garde“ auch noch Streichinstrumente beherrschten - eine Institution, die es später nie mehr gegeben hat. Große Erfolge hatte dieses Ensemble mit Aufführungen klassischer Musik (Sinfonien von Beethoven, Brahms, Tschaikowsky u.a.) aber auch zeitgenössischer Werke wie etwa „Metamorphosen über Weberthemen“ von Hindemith.

 

Das Programm des Abschiedskonzertes am 31. März 1974 spiegelt in eindrucksvoller Weise den Lebensweg des Dirigenten und Komponisten Gerhard Scholz wider, wie er mit Worten besser nicht beschrieben werden kann:

Der erste Teil wurde vom großen Blasorchester des Stabsmusikkorps bestritten. Er begann mit einer frühen Komposition des zeitgenössischen tschechischen Komponisten Vaclav Nelhybel (Präludium und Fuge), wurde fortgesetzt mit drei von Scholz für Sopran und Blasorchester bearbeiteten Liedern Richard Strauss’. Seine eigene Komposition (Abend) und das von ihm gerade fertiggestellte Finale in einer Uraufführung beendeten den ersten Teil.

Vielleicht bezeichnend legte der Dirigent Gerhard Scholz den Taktstock aus der Hand mit der im zweiten Teil vom Sinfonieorchester des Stabsmusikkorps intonierten 4. Sinfonie Anton Bruckners. So waren hier vereint alle wesentlichen Merkmale seines musikalischen Werdegangs: Das klassische Sinfonieorchester, die Beschäftigung mit zeitgenössischer Musikliteratur, die Liebe zum Lied und die eigene kompositorische Beschäftigung mit moderner Bläsermusik.

 

Beendet war damit aber keineswegs sein Werdegang als Komponist. Einige der schon angesprochenen Werke entstanden im sog. „Ruhestand“. Dazu zählen auch die Suite „Tänzerische Miniaturen“, „Präludium und Fuge“ sowie Vier kleine Stücke“. Daneben widmete er sich nun - wie auch früher schon - vermehrt den Bearbeitungen für Blasorchester und der Vertonung von Gedichten. Bereits 1966 hatte er auf diesem Gebiet Aufsehen erregt mit der Bearbeitung der Kindersuite von Robert Schumann für Blasorchester.

Als Gerhard Scholz wenige Tage nach seinem Tod, am 01.05.1991 zu Grabe getragen wurde, geschah dies unter den Klängen des vom Stabsmusikkorps intonierten Händelschen Trauermarsches aus dem Oratorium „Saul“, dem Werk, mit dem Scholz Konrad Adenauer zum Grab geleitet hatte. Auch dies war seinerzeit ein gelungenes und viel beachtetes Experiment des Dirigenten, handelt es sich doch bei diesem Stück um einen der wenigen Trauermärsche der Musikliteratur, der in Dur komponiert wurde.

 

Diesen versöhnlichen Abschied untermauerte der Kommandeur des Wachbataillons, indem er ausführte:

„Gerhard Scholz war einer der wenigen Musiker, der immer wieder versucht hat, sinfonische Musik, also sog. „E-Musik“ mit Bläsermusik und somit auch mit Militärmusik zu verbinden, ein Unterfangen, das speziell in Deutschland immer mit Schwierigkeiten verbunden war.“

 

Er fügte ein Zitat von Scholz hinzu das dessen Schaffen gut charakterisiert:

„Die Synthese Soldat und Musiker war ja nie einfach - für manche unmöglich - und wird es auch nie sein. Ich jedenfalls habe das Glück gehabt, diese scheinbar diametralen Gegensätze ein wenig integrieren zu können, bin aber keinesfalls in der Lage, ein Patentrezept zu geben.“

 


Kompositionen von Gerhard Scholz-Rothe:

Präludium für Streicher
Musik für Blockflöte und Klavier
Abendlied und Deutscher Zapfenstreich
Alte Zeit - Neue Zeit (Marsch)
Impressionen '67
Fahnenmarsch der Bundeswehr
Andante religioso